In verschiedenen XING-Gruppen, wie z.B. 1x1 für Führungskräfte und Personalmanagement & Führung drücken einige Teilnehmer ihr Unbehagen bzgl. agiler Entwicklung aus. Jene begreifen agile Entwicklung als so eine Art Rebellion und nutzen den Begriff “führungskräftefreie Zone”.
Sehr häufig wird Scrum gleichgesetzt mit agiler Entwicklung. Das ist zwar nicht der Fall, denn eigentlich ist Scrum nur ein Werkzeug zum Fördern agiler Entwicklung und keineswegs gleichbedeutend mit agiler Entwicklung an sich. Da gehört weit mehr dazu. Doch für die Diskussion um das Thema “führungskräftefreie Zone” macht es meiner Ansicht nach Sinn zunächst die allgemein bekannteste Erscheinungsform agiler Entwicklung zu betrachten. Im Scrum Guide wird von selbstorganisierenden Teams gesprochen.
Scrum Teams sind selbstorganisiert und interdisziplinär. Selbstorganisierte Teams entscheiden eigenständig darüber, wie die zu erledigende Arbeit am besten bewältigt werden kann. Es gibt niemanden, der einem selbstorganisierten Team von außen vorgibt, wie die Arbeit zu erledigen ist.
Da steht nun wirklich nicht, daß es keine Führungskräfte geben solle. Ist es vermessen wenn erfahrene Fachkräfte oder gar Experten erwarten, daß sie allein über das Wie ihrer Arbeit entscheiden wollen?
Als Frederick Taylor die Trennung von Kopf- und Handarbeit und damit modernes Management in den Fabriken Anfang 1900 propagierte hatte er es mehrheitlich mit ungebildeten Arbeitern zu tun. Es machte gewissen Sinn dem Arbeiter die Benutzung der richtigen Schaufel und die richtige Vorgehensweise vorzuschreiben. Es ging primär um wiederholtes Ausführen von immer gleichen monotonen Tätigkeiten.
Vergleichen wir das einmal mit der Arbeit eines Zimmerers. Von einem Zimmerer wurde über Jahrhunderte erwartet, daß er ein ganzes Haus vollständig und eigenständig aus Rohmaterial - das sind in diesem Fall die natürlich gewachsenen Bäume - errichten kann. Über Jahrhunderte haben Handwerker Wissen und Erfahrung von den Meistern an die Gesellen und Lehrlinge weitergegeben. Aus den Gesellen und Lehrlingen wurden Jahre später neue Meister. Es gibt einen guten Grund warum auch heute noch nur Meister ihres Faches die Ausbildung des Nachwuchses im Handwerk übernehmen dürfen.
Diese langwierige Ausbildung und das intime Fachwissen war aber nicht mehr hilfreich als es um Massenfertigung von immer gleichen Produkten ging. Es ging darum mehr vom Gleichen zu produzieren und dabei die Komplexität abzuschaffen. Je simpler die Vorgänge wurden, desto mehr konnte man Tätigkeiten von ungebildeten Arbeitskräften ausführen lassen. Statt Jahre auf neue Meister zu warten, konnte man Hunderte Handlanger billig einstellen - einfach weil die Anforderungen extrem gesunken waren und damit jeder mit zwei Händen qualifiziert genug war.
Die Entwicklung von Software ist eine Tätigkeit, die sich durch Komplexität auszeichnet. Wie schon der Begriff “Entwicklung” andeutet ist am Anfang nicht völlig klar was am Ende herauskommen wird. Man kann nicht wissen was man während der Entwicklung von Software entdecken wird.
Vielfach wird versucht der Softwareentwicklung ihre Komplexität zu nehmen. Das hat gut mit anderen Dingen funktioniert. Gelänge es die Komplexität dieser Tätigkeit zu reduzieren, dann könnte man viel mehr Software viel billiger herstellen und damit die Produktivität und den Gewinn steigern.
Doch geht das wirklich?
In meinem Buch Smarter Software with Activity-Centered Design biete ich als Definition von Software das Folgende an:
Software is an executable model for an activity. It provides affordances to perform actions that contribute to the activity. It is a mediating tool that guides, supports, and influences user actions and perceptions.
Auf Deutsch:
Software ist ein ausführbares Modell für eine Tätigkeit. Sie bietet Bedienelemente zum Durchführen von Aufgaben, die zur Tätigkeit beitragen. Sie ist ein vermittelndes Werkzeug, welches führt, unterstützt und die Aufgaben und Wahrnehmung des Benutzers beinflußt.
Wenn nun Software ein Modell für eine Tätigkeit ist, dann muß man ja erstmal jene Tätigkeit begreifen bevor man dafür Software machen kann. Es existiert die Notwendigkeit des Erforschens, des Entdeckens. Das erfordert Neugierde und Experimente.
Bei agiler Entwicklung geht es darum die Führungskräfte daran zu erinnern was eigentlich ihre eigentliche Aufgabe ist. Die Aufgabe einer Führungskraft ist, wie der Begriff schon impliziert, zu führen. Das bedeutet die Richtung vorzugeben und damit unternehmerisch tätig zu sein.
Scrum sieht z.B. die Rolle des Product Owner vor. Das ist ein Unternehmer mit der Verantwortung für ein zu entwickelndes Produkt. Der Product Owner ist damit eine echte Führungskraft.
Im Gegensatz zu inhabergeführten Unternehmen haben in vielen Großunternehmen die Verwalter die Macht übernommen. Diese nennen sich gern Führungskräfte. Doch in Wirklichkeit üben sie lediglich Kontrolle durch die Verwaltung der Geldmittel aus. Das hat nichts mit Führen im Sinne des Vorgebens einer Richtung oder dem Gestalten zu tun. Die Verwalter haben den Unternehmer verdrängt.
Weil sich nun diese falschen “Führungskräfte” anmaßen den Spezialisten detailliert vorzuschreiben wie und mit welchen Werkzeugen sie Software entwickeln sollen, versuchen die Spezialisten echte Führungskräfte zu finden. Man will die störenden Verwalter, die mit der Krämerseele, loswerden und durch Führungskräfte, durch Unternehmer mit Weitblick, ersetzen.
Für unternehmerisch denkende Menschen ist agile Entwicklung eine Chance. Sie ermöglicht neue Produkte zu entwickeln und neue Kundensegmente dadurch zu erschließen. Sie ermöglicht Fortentwicklung und trägt damit auch zum nachhaltigen Bestand des Unternehmens bei.
Für rückwärtsgewandte Verwalter, jene, die sich mehr um die Zahlen der Vergangenheit sorgen, kann agile Entwicklung schon eine Bedrohung darstellen. Schließlich weist man damit die Verwalter in ihre Schranken.
Doch … Haben jemals Verwalter Unternehmen gegründet? Haben Verwalter je neues Land entdeckt? Haben Verwalter je neue Dinge erschaffen? Dinge, die nicht der Verwaltung an sich dienlich sind?
Agile Entwicklung stellt die Sinnfrage nach dem Zweck eines Unternehmens. Die Antwort wird von den Kunden gegeben werden.
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